Was beinhaltet Awareness-Arbeit für uns?

Der AK Awareness setzt sich aus unterschiedlichen Personen aus der Fanszene des FC St. Pauli zusammen, die sich mit den Themen sexualisierte Gewalt, grenzüberschreitendes Verhalten und Diskriminierung im Umfeld des FC St. Pauli auseinandersetzen.

Wir legen den Fokus darauf, Aufklärung, Achtsamkeit und Bewusstsein zu diesen Themen zu schaffen und aktiv gegen diese vorzugehen.

Zu Awareness-Arbeit gehört für uns unter anderem: (Herrschafts-) Strukturen und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Solidarisch zu sein und Solidarität einzufordern. Selbstreflexion und Verhaltensänderungen bei Einzelnen und Gruppen anzuregen.

Warum bedarf es der Awareness-Arbeit rund um den FC St. Pauli?

Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 sind über 30% der Befragten von (sexualisierter) Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung, Herkunft und Religion und/oder Behinderung und Alter betroffen.

Es ist dabei anzuerkennen, dass Erfahrungen mit grenzüberschreitendem und diskriminierenden Verhalten auch im Kosmos des FC St. Pauli allgegenwärtig sind. Eine Auseinandersetzung mit diesem Problem und eine angemessene Entgegnung sind daher unerlässlich.

1. Ziel und Grundsätze

Das Ziel des AK Awareness ist es, in Bezug auf grenzverletzendes, diskriminierendes und übergriffiges Verhalten im Kontext Stadionerlebnis, bei Sonderzugfahrten, Partys und anderen Veranstaltungen mit Bezug zum FC St. Pauli zu sensibilisieren, dieses zu bekämpfen und Betroffenen und Gruppen Unterstützung anzubieten.

Langfristig möchten wir eine Struktur aufbauen, an die sich Betroffene wenden können, und die Hürden senken, über Fälle zu sprechen und sich Hilfe zu holen. Wir setzen uns als fanbasierter Arbeitskreis dafür ein, dass der Verein FC St. Pauli seiner Verantwortung in diesem Bereich nachkommt.

Dabei arbeiten wir nach folgenden Grundsätzen:

  • Solidarität und Achtsamkeit: Awareness ist die Aufgabe von allen.
  • Definitionsmacht: Jede Person legt ihre Grenzen selbst fest. Diese Grenzen sind von anderen ohne Wenn und Aber zu respektieren. Das bedeutet auch: Nur Ja heißt Ja! Schweigen ist keine Zustimmung.
  • Parteilichkeit: Wir nehmen die Erfahrungen betroffener Personen ernst und orientieren uns in weiteren Handlungsschritten an ihren Bedürfnissen.
  • Vertraulichkeit: Persönliche Informationen, die an unseren Arbeitskreis herangetragen werden, werden niemals ohne Einverständnis weitergegeben. Eine anonyme Kontaktaufnahme ist möglich.
2. Zielgruppen
  • Betroffene
  • Bezugsgruppen und -personen/Beobachtende
  • Vereinsstruktur des FC St. Pauli, externe Mitarbeitende und Gremien
  • (potentiell) grenzüberschreitende/gewaltausübende Personen bzw. Gruppen
3. Maßnahmen
  • Zielgruppenspezifische Sensibilisierung durch Flyer, Sticker, Faltblätter, Plakate im Stadion
  • Homepage mit Möglichkeit der direkten, anonymen Kontaktaufnahme
  • Bereitstellung von Informationen über weiterführende externe Beratungsstellen und Hilfeangebote
  • Online-Befragung der Stadionbesuchenden, Mitarbeitenden und anderen Personen im FC St. Pauli-Kontext zur Ermittlung von Handlungsbedarfen
  • Vernetzen und Informieren durch Info- und Diskussionsveranstaltungen, offene Treffen, spezifische Angebote
  • Aufbau einer Awareness-Struktur für Veranstaltungen im FC St. Pauli-Kontext abseits der Spieltage
  • Unterstützung der Konzeptentwicklung einer Awareness-Struktur an Spieltagen in Kooperation mit dem FC St. Pauli
  • Fortbildungen und Schulungen der Mitglieder des AK Awareness
Was ist grenzüberschreitendes Verhalten?

Grenzüberschreitendes Verhalten kann zum Beispiel sein: sexuelle Übergriffe oder Belästigung, diskriminierendes oder herabwürdigendes Verhalten, zum Beispiel in Bezug auf Aussehen, Hautfarbe, Beeinträchtigung, geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, Herkunft oder Alter.

Grenzüberschreitendes Verhalten bezieht sich nicht nur auf körperliche Übergriffe, sondern kann verschiedene Formen psychischer, emotionaler oder verbaler Gewalt beinhalten. Jegliche Form von Gewalt wird aufgrund der persönlichen Geschichte und Erfahrungen der betroffenen Person unterschiedlich erlebt, eingeordnet und eingeschätzt.

Was ist mit dem Begriff „Definitionsmacht“ gemeint?

Welche Handlungen eine persönliche Grenze überschreiten, kann nur die betroffene Person selbst entscheiden. Das Benennen eines Übergriffes oder einer Diskriminierung darf nicht infrage gestellt werden. Betroffene Personen werden nicht durch bohrendes Nachfragen in eine Rechtfertigungshaltung gedrängt.

Was verstehen wir unter „Parteilichkeit“?

Personen, die sich an die Awareness-Struktur wenden, können darauf vertrauen, dass ihre Erfahrungen ernst genommen werden. Etwaige weitere Handlungsschritte werden mit den Betroffenen abgesprochen und die Entscheidungsmacht über eine Umsetzung obliegt der betroffenen Person. Die (Wieder-)Herstellung der Sicherheit und Selbstbestimmung der betroffenen Person ist die Grundlage aller weiteren Schritte.

Wir stehen parteilich hinter der betroffenen Person, das heißt wir beziehen aktiv Stellung und erklären uns mit ihr solidarisch. Eine vermeintlich neutrale Haltung schadet der betroffenen Person und schützt die gewaltausübende Person.

Was genau heißt Vertraulichkeit bzw. Anonymität?

Persönliche Informationen oder konkrete Fälle, die an unseren Arbeitskreis herangetragen werden, werden niemals ohne Einverständnis weitergegeben. Über Vorfälle, in die wir einbezogen sind, wird nur anonymisiert gesprochen, zum Beispiel bei internen Besprechungen über Interventionsschritte oder falls wir uns externe fachliche Beratung zur Reflexion unserer Intervention einholen.

Warum verwenden wir bestimmte Begriffe und was verstehen wir darunter?

betroffene Person

Als betroffene Person wird die Person verstanden, die von diskriminierender oder sexualisierter Gewalt sowie grenzüberschreitendem Verhalten betroffen ist.

grenzüberschreitende/ gewaltausübende Person

stellt die Handlung stärker in den Vordergrund, statt nur die handelnde Person zu benennen

Warum ein feministischer Gewaltbegriff?

Ein feministischer Gewaltbegriff ist notwendig, da Gewalt immer auch vor dem Hintergrund von Herrschaftsverhältnissen ausgeübt wird. Er beinhaltet körperliche, psychische und diskriminierende Gewalt.

  1. sexualisierte Gewalt und alle Formen von sexueller Handlung und Tat, die gegen den Willen oder ohne Einwilligung einer Person ausgeübt werden
  2. definiert die Betroffene selbst die ihnen angetane sexualisierte Gewalt und sexistische Diskriminierung. Und nur sie können sagen, ob etwas gegen ihren Willen stattgefunden hat.

Sexualisierte Gewalt, sexistische Diskriminierung

Sexuelle Handlungen werden als Mittel benutzt, um Gewalt auszuüben und Macht zu erlangen. Sexualisierte Gewalt umfasst alle Formen von sexuellen Handlungen und Taten, die gegen den Willen oder ohne Einwilligung einer Person ausgeübt werden. Es gibt keinen objektiven Grad der Schwere der Gewalt, der erreicht werden muss, damit die Betroffene von sexualisierter Gewalt sprechen kann.

Sexistische Diskriminierung oder Sexismus bezeichnet geschlechterbezogene Diskriminierung. Sie meinen Handlungen, die Strukturen aufrechterhalten oder reproduzieren.